MetaId : 20992 Name (vollständig) : Jacques François
Aus einem Brief des Mauthausen-Überlebenden Bernard Maingot über Jacques François:
„Ich habe Ihren Brief erhalten und bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen.
Ich bin imstande, den Fall meines Kameraden Jacques François anzuführen. Er war mein Nachbar in Angers.
Jacques wurde am 5. Mai 1921 in Angers geboren. Er wollte Offizier werden, und im Jahr 1939 war er Schüler in einer Militärakademie. Im Juni 1940, nach der Kapitulation Frankreichs, wurde diese Schule geschlossen.
Er kehrte an den Wohnsitz seiner verwitweten Mutter zurück, die zusammen mit ihrer im Jahr 1923 geborenen Tochter Yvonne lebte.
Als Widerstandskämpfer der Bewegung LIBÉ-NORD beigetreten, wurde er von der Gestapo von Angers am 19. Februar 1944 festgenommen. Er war in Angers, Compiègne, Mauthausen (Häftlingsnummer 62326) und schließlich in Melk inhaftiert, wo er am 30 Jänner 1945 verstarb.
Ich wurde am gleichen Tag wie er festgenommen, und aus demselben Grund, und ich legte denselben Weg zurück. Ich habe mit ihm in Melk im Stollenbau-Kommando gearbeitet, von dem mehr als 50 Prozent der Deportierten verstarben. Ende des Jahres 1944 wurde er, von Fieber und einer schweren Lungenerkrankung geplagt, im Revier aufgenommen. Im Jänner 1945 habe ich es geschafft, ihn zu sehen. Er war sehr abgemagert, hustete viel und hatte die Ruhr.
Bei dieser Kälte saß er im Hof des Reviers am Boden, nur mit einem Hemd bekleidet und mit einer sehr, sehr schmutzigen Decke über den Schultern. Er hat mich nicht mehr erkannt. Er war schon fort, auf die große Reise gegangen…
Ich glaube, ich habe geweint.
Das Schicksal hat gewollt, dass ich überlebe.
Gleich nach meiner Rückkehr nach Angers, Anfang Juni 1945, habe ich die Mutter von Jacques, Frau François, besucht. Sie weinte bitterlich. Ihr Lieblingssohn trug alle ihre Hoffnungen. Zum Glück kam ihre Tochter Yvonne, die Schwester von Jacques, die zum selben Zeitpunkt gefangengenommen und nach Ravensbrück deportiert wurde, zwar sehr krank, aber lebend wieder zurück.
Für die Schmerzen dieser Mutter fühlte ich mich schuldig. In ihren tränengefüllten Augen glaubte ich, immer dieselbe gerechte Frage zu lesen: „Du bist hier, stehst vor mir, lebend, und mein Sohn wird nie zurückkommen, nie wieder. Warum er? WARUM?“
Auf diese Frage habe ich keine Antwort, nur Gott alleine weiß es.“
Bernard Maingot
Bernard Maingot, geb. 1925, wuchs in Angers auf. Da er für die Résistance aktiv war, wurde er im Februar 1944 von der Gestapo festgenommen. Sie deportierte ihn nach Mauthausen, von wo er weiter in das Außenlager Melk transportiert wurde. Die Befreiung erlebte er schließlich im KZ Ebensee. Er lebt heute in seiner Geburtsstadt Angers.
Aus dem Französischen von Andrea Peyrou
From a letter written by the Mauthausen survivor Bernard Maingot about Jacques François:
‘I have received your letter and send you my heartfelt thanks.
I am in a position to relate the case of my comrade, Jacques François. He was my neighbour in Angers.
Jacques was born on 5 May 1921 in Angers. He wanted to become an officer and, in 1939, he was studying at a military academy. In June 1940, after the surrender of France, this school was closed.
He returned to the home of his widowed mother, who lived with her daughter, Yvonne, born in 1923.
Having joined the LIBÉ-NORD movement as a resistance fighter, he was arrested by the Angers Gestapo on 19 February 1944. He was imprisoned in Angers, Compiègne, Mauthausen (prisoner number 62326) and, finally, in Melk, where he died on 3 January 1945.
I was arrested on the same day as him, for the same reason, and the journey I took was the same. I worked with him in Melk in a detachment building tunnels, in which 50 per cent of the prisoners died. At the end of 1944, suffering from fever and a serious lung infection, he was taken to the infirmary. In January 1945 I managed to see him. He had lost a lot of weight, was coughing a lot and had dysentery.
In cold weather he was sitting in the infirmary yard on the ground, dressed only in a shirt with a very, very dirty blanket around his shoulders. He no longer recognised me. He was already gone, departed on the last great journey…
I believe I cried.
Fate willed it that I survived.
Immediately after my return to Angers, at the beginning of June 1945, I visited Jacques’ mother, Mrs. François. She cried bitterly. All her hopes had been for her favourite son. Fortunately, her daughter Yvonne, Jacques’ sister, who had been taken prisoner at the same time and deported to Ravensbrück, did return – seriously ill, but alive.
I felt responsible for this mother’s pain. Her tear-filled eyes seemed always to be asking the same justified question: “ You are here, standing before me, alive, and my son will never come back, never. Why him? WHY?”
I have no answer to this question, only God alone knows it.’
Translation into English: Joanna White